Interview mit Albrecht Landt (Geschäftsführer 1985 – 2021)
Wie kamst Du zur Firma Ernst Rickertsen und was ist Deine Rolle?
Im Jahr 1922 hat Ernst Rickertsen die Firma gegründet und war damit wohl ein Pionier für Trockenfrüchte und ähnliche Produkte. Obwohl mir die einzelnen Stationen der Firma kaum bekannt sind, gab es im Laufe des Bestehens immer wieder neue Anstöße für Fortentwicklungen. Eine bahnbrechende Entscheidung war in den 70er Jahren die Gründung einer gemeinsamen Packfirma, zusammen mit einem Konkurrenzunternehmen im Trockenfruchtbereich. Durch Inhaberwechsel kam es 1985 zur Neugründung der Ernst Rickertsen GmbH, in der ich 1986 die Geschäftsführung übernommen habe. Haupttätigkeitsfeld war immer noch das Abpacken von Trockenfrüchten und die Belieferung des Einzelhandels.
Da unsere Maschinen nicht mehr zeitgemäß waren und kein Geld für Neuinvestitionen vorhanden war, schlossen wir 1988 die Packerei und konzentrierten uns auf den Import und Großhandel von Rohware. Zusätzlich entschieden wir, in den noch jungen Bio-Markt einzusteigen, auch aus der persönlichen Überzeugung heraus, dass diese Entwicklung Zukunft haben würde.
Und wie hat dann die Bio-Entwicklung ihren Lauf genommen?
Bis Bio für uns betriebswirtschaftlich interessant wurde, sind ungefähr 6-8 Jahre vergangen, aber bereits in 1992 haben wir mit internationaler Zusammenarbeit begonnen und in der Türkei Bio-Trockenfruchtprojekte ausgebaut und zum Teil auf Demeter umgestellt. In den dann folgenden 10 Jahren hat sich der Bio-Anteil am Umsatz auf ca. 50 % erhöht, mit weiter zunehmender Tendenz und somit ist Bio für unsere Firma ein wichtiges Standbein geworden. Konventionell beschäftigen wir uns nach wie vor mit Cashewkernen und Kokosraspel. Bei Bio haben wir allerdings neben den Nusskernen ein relativ umfangreiches Sortiment aufgebaut, basierend auf Früchten, die wir sowohl getrocknet als auch tiefgefühlt bzw. weiterverarbeitet zu Pürees und Konzentraten handeln („Fruits in every shape“). Anfängerfehler haben wir leider auch nicht vermieden, teilweise bedingt durch die Auswahl falscher Partner, aber wir sind unserer Überzeugung treu geblieben.
Woher kommt die persönliche Überzeugung, sich mit Bio auseinanderzusetzen?
Da muss ich etwas ausholen. Als Schüler habe ich bei einer „Altenteiler Familie“, das heißt bei Bauern, die ihren Hof an ihren Sohn abgegeben hatten, ausgeholfen. Ich habe da die Straße gefegt, Holz gehackt und zum Teil Gartenarbeit erledigt. Für die schwere Arbeit kamen Leute vom Bauernhof und diese brachten tüchtig Kunstdünger mit, bis die Erträge zurückgegangen sind und teilweise gar nichts mehr wuchs. „Das ist alles verbrannte Erde“, haben die damals gesagt. Es war meine erste Konfrontation mit chemischen Düngemitteln, die bei mir zu Fragen geführt hat.
Wie ging es dann weiter?
Es waren nicht primär gesundheitliche Dinge, sondern eher Fragen des Umweltschutzes, die mich nachdenklich gemacht haben.
In den 60er Jahren habe ich in einem Landhandelsbetrieb gelernt, in dem ich alle möglichen Aufgaben erledigen musste und auch wollte. Ich war auch interessiert an den jährlich im Mai und Juni stattfindenden Spritzaktionen unserer Schädlingsabteilung. Die Teilnahme wurde mir damals aber verboten. Der verantwortliche Mitarbeiter hat das immer ca. 4-5 Wochen lang gemacht, danach war er meistens 2 Monate schwer krank, obwohl er ein Bulle von Kerl war.
Das waren so meine Ausgangspunkte, die mich zum Nachdenken angeregt haben.
In der Zeit wurden auch in Deutschland verstärkt Atomkraftwerke gebaut, denen ich anfangs positiv gegenüber stand, bis ich dann verstanden habe, dass es überhaupt keine Lösung für den Atommüll gab und auch heute noch nicht gibt.
Der Auslöser war schließlich, dass sich ein Geschäftsfreund einem Biobauernhof angeschlossen hat und ich dadurch intensiven Zugang zu Leuten hatte, die sich mit dieser Idee auseinander gesetzt haben. Wir waren zwar nicht immer einer Meinung, aber ihre Überzeugung für die gute Sache hat mir zugesagt.
Es waren nicht primär gesundheitliche Dinge, sondern eher Fragen des Umweltschutzes, die mich nachdenklich gemacht haben.
Wie siehst Du den heutigen Biomarkt?
Der Markt ist etabliert und wächst und in einigen Bereichen wird sogar bemängelt, dass es nicht genug Bauern gibt, um den Bedarf zu decken. Auch Fragen des Umweltschutzes, der Gesundheit, der Bodenverbesserung, der Bienengesundheit, Erhalt der Artenvielfalt und die bereits angelaufene Energiewende, haben neue Gedanken bei den Verbrauchern entstehen lassen, die sich auf den Biomarkt auswirken und zu einem weiteren Wachstum führen werden.
Welche Entwicklungen gefallen Dir nicht so?
Das überwiegende Wachstum des Biomarktes in 2015 erfolgte über die Discounter, wobei auch der originale Biomarkt Wachstum zu verzeichnen hat. Dagegen ist nichts einzuwenden.
Der Lebensmitteleinzelhandel redet heute viel mehr über soziale Aspekte und Fairtrade, über Kinderarbeit und solche Dinge, aber in welcher Form setzt der konventionelle Handel sich dafür ein?
Wir sehen uns heute im Bio-Einzelhandel mit den gleichen negativen Entwicklungen konfrontiert, wie im konventionellen: Filialisierung, Preisdiktate, Rabattdiktate und ähnliches. Wir meinen zwar, eine alternative Szene zu sein, dann muss man aber auch über alternative Lösungen nachdenken und versuchen, sie umzusetzen.
Grundsätzlich bin ich für Internationalisierung und eine arbeitsteilige Welt. Nur die Qualität von Lebensmitteln darf nicht darunter leiden, genauso wie schlechte Arbeitsbedingungen nicht hingenommen werden dürfen.
Außerdem sehe ich Probleme in der weiteren Entwicklung. Frau Künast hat mal von 20 % Anteil am Markt gesprochen, bis heute ist das nicht erreicht. In Österreich gibt es z.B. ganze Gemeinden, die auf Bio umgestellt haben. Da wird wesentlich intensiver daran gearbeitet, den Gedanken weiter zu bringen. Denn wenn Dein Nachbar spritzt, dann hast Du auch ein Problem. Deswegen sind es die kleinen, regionalen Entwicklungen, die eine Rolle spielen und gefördert werden müssen.
Welche Entwicklungen gefallen Dir?
Der Markt wächst, die Anzahl der Produkte wächst, das Nachdenken über die Fragen unserer Welt wächst, und somit, auch wenn die Entwicklung nicht ganz eindeutig ist, kann man hoffnungsfroh in die Zukunft gehen.
Bio und Fairtrade passen gut zusammen und sollten weiter unterstützt und ausgebaut werden. Es gibt zumindest in Deutschland eine feststellbare Ablehnung von Genmanipulation. In der Bevölkerung wird nachgedacht über die Qualität der Lebensmittel. Das sollte die Chancen von Bio weiter verbessern, bei allen Verbrauchern anzukommen.
Nach dem Motto „Jeder Einkaufsbon ist ein Stimmzettel“?
Grundsätzlich kann man diese Frage mit JA beantworten. Es gibt immer mehr Menschen, die über ihre Nahrung nachdenken. Aber es gibt auch noch viele Gleichgültige und Zweifler. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir das Land der ausgebildeten Discountkäufer sind, die daran gewöhnt sind, dass die Lebensmittel hier billiger sind als in einigen Ursprungsländern.
Aber am Ende werden es die Menschen entscheiden, welche Ansprüche sie an ihre Lebensmittel stellen und wieviel ihnen Qualität wert ist.
Hoffen wir mal das Beste.
Und wo siehst Du die weitere Entwicklung der Firma?
Das, was wir zur Jahrtausendwende angefangen haben, eine verstärkte Arbeit in Projekten, sehen wir auch als zukünftige Aufgabe der Firma. Wir werden unser Bestes tun, um unsere Ideen nach unseren Möglichkeiten weiter voranzubringen. Es gibt noch viel zu tun!
Das Interview wurde durchgeführt von Jeremy Landt am 31.01.2016